Warum der Frauenkörper anders funktioniert und wie Physiotherapie helfen kann

Frauen haben in unterschiedlichen Lebensfasen unterschiedliche gesundheitliche Herausforderungen: Pubertät, Zyklusbeschwerden, Schwangerschaft und Geburt, die Zeit der Rückbildung und – nicht zu vergessen – die Wechseljahre. Dass Frauen und Männer sich im Körperbau unterscheiden ist offensichtlich. Aber auch die Psyche ist bei Frauen und Männern verschieden. Ulrike Pfeifer, Physiotherapeutin beim Gesundheitszentrum cam+ erklärt, worin sich die Beschwerden der Frauen, von denen der Männer unterscheiden, warum das so ist und wann ein Besuch beim Physiotherapeuten nützlich ist.

Frauenkörper funktionieren zyklisch

Dass Frauen und Männer physisch verschieden sind, ist klar. Auch psychologisch sind Frauen anders als Männer gestrickt. Körper und Psyche sind bekanntlich in enger Harmonie: mens sana in corpore sano. Sei es der Körper als auch Psyche basieren auf hormonellen Prozessen – und Veränderungen im Körper der Frau sind mit hormonellen Vorgängen verbunden.

In den Phasen des Zyklus zum Beispiel ist der Hormoncocktail unterschiedlich, so fühlen sich Frauen während des Eisprungs oft aktiver als kurz vor der Menstruation. Während den Wechseljahren oder einer Schwangerschaft verändert sich der Hormonhaushalt ebenfalls.  Diese Hormonzyklen führen Veränderungen am Körper herbei: so zum Beispiel Wassereinlagerungen bei Schwangerschaft oder Gewichtszunahme in den Wechseljahren. Die Psyche fußt ebenfalls auf Hormonen, die im Körper produziert werden. Da sich diese zyklisch verändern, verändert sich auch das Gemüt.

„Was man gerne vergisst, ist, dass Hormone nicht nur bei Wechseljahren oder der Periode eine Rolle spielen. Hormone verändern auch Bindegewebe, Muskulatur, Faszien und Blutgefäße“, erklärt Ulrike Pfeifer, Physiotherapeutin beim cam+ in Bozen. 

Der zyklische Körper in der linearen Gesellschaft

„Wir leben in einer linear-orientierten Gesellschaft. Das Zyklische an unserem Körper wird aus unserem Empfinden gestrichen. Man ist mal nicht alle Tage gleich fit – unser Körper funktioniert nach einem geregelten Biorhythmus“, erklärt Ulrike Pfeifer.

Jede Frau hat einen unterschiedlich langen Rhythmus. Das Beispiel dafür ist die Monatsblutung: bei manchen dauert ein Zyklus 24, bei anderen 32 Tage. Bei Krankheit kann er sich verschieben.

„Mit den wachsenden Ansprüchen an die Frau – Mutter, Partnerin und Karrierefrau – fühlen sich manche gezwungen, sich in den linearen Rhythmus zu quetschen und immer gleich funktionieren zu müssen“, so Ulrike Pfeifer.

Oft sind es der Konkurrenzkampf, die Ansprüche oder der Ehrgeiz. Frauen „schieben“ Beschwerden, die hormonell bedingt sind, gerne „auf“. Dazu zählen Migräne, Unterleibs-, Magen-, Nacken- und Kreuzschmerzen oder Verspannungen.

„Schmerzmittel werden eingenommen, weil es gerade ‚keine Zeit‘ für den Körper gibt. Diese Beschwerden kommen wieder, nur akuter.“, erklärt Ulrike.

 

Was Frauenphysiotherapie von normaler Physiotherapie unterscheidet

Alle Aspekte des Körpers müssen in die Physiotherapie und die Osteopathie  miteinbezogen werden. Dazu zählen der Körper – mit Skelett, Organen, Muskeln und Faszien – und die Psyche.  Die Psyche kann dabei den Körper beeinflussen und umgekehrt.

„Bei der Frauenphysiotherapie wird der weibliche Körper in seinem besonderen strukturellen Aufbau und seinen Funktionen betrachtet. Dabei wird auch die Wirkung von Hormonen auf das Körpergewebe miteinbezogen.“, erklärt Ulrike Pfeifer, Therapeutin bei cam+

Für Therapeuten ist es wichtig zu wissen, in welcher Phase sich eine Patientin befindet. Zum Beispiel hat der Körper während der Periode mehr Wassereinlagerungen und die Nerven sind sensitiver. Das bedeutet auch, dass man schmerzempfindlicher sein kann. So kann man die Therapie anpassen.

Wann sich Frauen an Physiotherapeuten wenden können

 

  1. Hormonell bedingte Beschwerden

    Dazu zählen Regelbeschwerden, Beschwerden bei der Menopause und während und nach der Schwangerschaft. Mit Physiotherapie kann man die Verspannungen im tiefen Becken lösen und somit die Beschwerden lindern.

    Auch bei Schwangeren kann Physiotherapie schmerzlindernd wirken: einerseits gegen Rückenschmerzen und geschwollene Beine, aber auch als Geburtsvorbereitung eignet sich Physiotherapie gut. Zum Beispiel können Schiefstellungen des Beckens behoben – und somit die Geburt unterstützt werden.

     

  2. Stressbedingte Beschwerden

    Stress macht sich gerne im Körper bemerkbar: Verspannungen, Magenbeschwerden oder Kopfschmerzen. Mit gezielten Techniken kann der Physiotherapeut ins Hormon- und Nervensystem eingreifen und Ungleichgewichte lindern.„Häufig sind die Beschwerden aber eine Kombination aus strukturellen und hormonellen Beschwerden – das beruht auf die Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper.“, so Ulrike Pfeifer. Migränen sind das beste Beispiel für ein Symptom, das hormonellen Ursprung haben kann, zeitgleich aber auch von Nackenverspannungen kommen kann. Gerne ist es eine Kombination beider Dinge, die sich gegenseitig potenzieren.

     

  3. Strukturelle Beschwerden

    Auch bei Beschwerern wie chronische Blasenentzündungen, Inkontinenz oder Narbenbildung kann Physiotherapie Hilfe anbieten.Inkontinenz ist häufig auf einen abgeschwächten Beckenboden und die sinkenden Organe zurückzuführen. Häufig kommt Inkontinenz nach einer Geburt, nach einer Operation oder in der Menopause vor. „Mit konservativer Therapie – also ohne operativen Eingriff – und Übungen für den Beckenboden ist es mit Physiotherapie möglich, der Inkontinenz entgegenzuwirken.“, so Ulrike Pfeifer.

 

Ulrike Pfeifer

Physiotherapeutin bei cam⁺

 

 

 

 

 

 

 

 

Ulrike Pfeifer ist passionierte Physiotherapeutin beim Gesundheitszentrum cam+ in Bozen.
Nach einem Jahr Medizinstudium in Innsbruck hat sie Studium gewechselt und konnte ihren Traumberuf verwirklichen: seit 25 Jahren ist sie nun Physiotherapeutin. Zehn Jahre lang betreute sie Profisportler*innen in Handball-, Fußball- und Eishockeymannschaften als diplomierte Sportphysiotherapeutin. Dort erlebte sie das Verhalten des Körpers unter großer Druck- und Stressbelastung. Das hat sie zu dem Studium der Psychoneuroimmunologie veranlasst. Inzwischen behandelt sie mit zehnjährigem Erfolg chronischer Erschöpfung, Schlafschwierigkeiten, Kopf- und Gelenkschmerzen, Verspannungen, Unruhe, Organstörungen, Stress und Burn-Out.